Shunryu Suzuki

Bewusstseins-Wellen

Weil wir uns aller Aspekte unseres Lebens erfreuen als einer Entfaltung des großen Geistes, bemühen wir uns nicht um eine außergewöhnliche Freude. Deshalb haben wir eine unerschütterliche Gelassenheit." Wenn Ihr Zazen praktiziert, versucht nicht, Euer Denken zu unterdrücken. Laßt es von selbst aufhören. Wenn Euch etwas in den Sinn kommt, lasst es hereinkommen und lasst es hinausgehen. Es wird nicht lange bleiben. Wenn Ihr versucht, Euer Denken zu unterdrücken, bedeutet dies, daß Ihr von ihm gestört seid. Laßt Euch von nichts stören. Es scheint Euch, als ob etwas außerhalb Eures Geistes auftreten würde, aber in Wirklichkeit sind es nur Wellen Eurer Gedanken, und wenn Ihr Euch von den Wellen nicht stören lasst, werden sie allmählich ruhiger und ruhiger. In fünf oder höchstens zehn Minuten seid Ihr vollständig still und ruhig.

Dann ist Eure Atmung ganz langsam geworden, während Euer Puls etwas schneller schlägt. Es wird eine recht lange Zeit brauchen, bis Ihr in Eurer Praxis Euren ruhigen, stillen Geist findet.

Viele Empfindungen, viele Gedanken oder Bilder entstehen, aber es sind nur Wellen Eures eigenen Geistes. Nichts kommt von außerhalb Eures Geistes. Gewöhnlich meinen wir, unser Geist nehme Eindrücke und Erfahrungen von außen auf, aber dies ist nicht das wahre Verständnis unseres Geistes. Das wahre Verständnis ist, daß der Geist alles umfasst; wen Ihr denkt, etwas würde von außen kommen, bedeutet dies nur, daß es in Eurem Bewusstsein erscheint. Nichts außerhalb Eurer selbst kann Euch Ängste verursachen. Ihr selbst macht die Wellen in Eurem Geiste. Wenn Ihr Euren Geist lasst wie er ist, dann wird er ruhig. Dieses wird Großer Geist genannt.

Wenn Euer Geist mit etwas außerhalb seiner selbst verbunden ist, so ist dieser Geist ein kleiner, ein beschränkter Geist. Wenn Euer Geist mit nichts anderem verbunden ist, dann gibt es kein dualistisches Deuten der Aktivitäten Eures Geistes. Ein großer Geist erfährt alles innerhalb seiner selbst. Begreift Ihr den Unterschied zwischen den beiden Geistesarten: der Geist, der alles enthält und der Geist, der in Beziehung zu anderem steht? Tatsächlich sind sie ein und dasselbe, doch ist das Verständnis verschieden, und Eure Haltung dem Leben gegenüber wird dem Verständnis nach, das Ihr habt, unterschiedlich sein.

Dass alles in Eurem Geist enthalten ist, ist das innerste Wesen des Geistes. Dies gewahr zu werden, muss man ein religiöses Gefühl haben. Selbst wenn Wellen entstehen, ist da Wesen Eures Geistes rein: es ist wie klares Wasser mit ein paar Wellen. In der Wirklichkeit hat Wasser immer Wellen. Wellen sind die Praxis des Wassers. Von Wellen zu sprechen ohne Wasser oder von Wasser ohne Wellen, ist eine Täuschung. Wasser und Wellen sind Eines. Großer Geist und kleiner Geist sind Eines. Wenn Ihr Euren Geist in dieser Weise versteht, hab Ihr einige Sicherheit in Euren Gefühlen. Nachdem Euer Geist nichts von außen erwartet, ist er immer gefüllt. Ein Geist mit Wellen in sich ist nicht ein gestörter, sondern tatsächlich ein verstärkter Geist. Was auch immer Ihr erfahrt, es ist ein Ausdruck des Großen Geistes.

Die Aktivität des Großen Geistes ist es, sich selbst durch verschiedenartige Erfahrungen zu vergrößern. In einer Hinsicht sind unsere Erfahrungen, wie sie eine nach der anderen kommen, immer frisch und neu, aber in anderer Hinsicht sind sie nichts anderes als das ständige oder wiederholte Enthüllen des einen Großen Geistes. Wenn Ihr zum Beispiel etwas Gutes zum Frühstück habt, werdet ihr sagen: "Das ist gut." Gut wird benützt als etwas, das vor langer Zeit erfahren wurde, obwohl Ihr Euch nicht mehr entsinnen könnte, wann. Mit großem Geist nehmen wir jede unserer Erfahrungen so auf, wie wenn wir das Gesicht, das wir im Spiegel sehen, als unser eigenes erkennen. Für uns gibt es nicht die Angst, diesen Geist zu verlieren. Es gibt nichts, woher man kommen oder wohin man gehen könnte. As gibt keines Angst zu sterben, kein Leiden durch Alter und Krankheit. Weil wir uns aller Aspekte unseres Lebens erfreuen als einer Entfaltung des Großen Geistes, bemühen wir uns nicht um eine außergewöhnliche Freude. Deshalb haben wir eine unerschütterliche Gelassenheit, und mit dieser unerschütterlichen Gelassenheit des Großen Geistes praktizieren wir Zazen.

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